WAHLEN IN UNSERER ZEIT IHRE BEDEUTUNG IM ZEITALTER DER BOMBE Ein Beitrag aus der Reihe "Sternstunden des Rock" Die Liebe, diese wunderbare Quelle der Lebenskraft und Freude, ist das bevorzugte Thema vieler Schlager. Liebeslieder kommen in breiten Schichten der Bevölkerung gut an, aber auch nüchterne Menschen geraten mitunter ins Schwärmen, wenn sie einem melancholischen Song lauschen. Dieses Phänomen wird seitens der Schallplattenindustrie natürlich nach Kräften ausgeschlachtet. In welcher Weise nun hängen diese Mechanismen mit den Grundfesten unserer Demokratie zusammen ? Gehen wir zunächst von der einfachen Annahme aus, daß Politiker jeglicher Couleur in erster Linie auch fühlende Menschen sind. Dies vereinfacht uns den Zugang zu ihrer Seele. Setzen wir weiterhin voraus, daß auch Politiker mal ein Liebeslied hören. So betrachtet wird dann deutlich, daß die Liebe eine wichtige Triebfeder der Demokratie ist. Nun stehen wir allerdings vor einem weiteren Problem: Wenn Liebeslieder heutzutage ausreichend zur Ausübung politischer Ämter legitimieren, wie schaut das demokratische Modell dann für diejenigen Menschen unter uns aus, denen Liebeslieder nicht so gut gefallen? Dies ist, finde ich, einer der wenigen Schwachpunkte, an denen unser Grundgesetz in der jetzigen Periode der Neuorientierung verletzbar ist. Präsident Hindenburg war es, der 1926 die Diskussion um dieses Manko der Weimarer Verfassung entfachte, sicherlich gab es da noch mehr. Aber es sollte 32 Jahre dauern, bis sich wieder jemand ernsthafte Gedanken zu dieser Frage machte. Vico Torriani versuchte seinerzeit wiederholt, eine Antidiskriminationsklausel an den umstrittenen Absatz des "Schlagerparagraphen" anzufügen, doch er scheiterte durch mangelnde Unterstützung durch die Bevölkerung. In den Folgejahren wurde das Thema durch ein verkrustetes Lovesongregime weitestgehend totgeschwiegen. Die Zeiten haben sich geändert, finde ich. Demokratie darf nicht zu Lasten von wenigen gehen, die Liebeslieder nicht so gern hören. Es muß etwas geschehen, sonst eplodiert das Pulverfaß der Engtanzrevolte schlagartig und bedeckt den Reichstag kinnhoch mit dem triefigsten Schmalz. !Libertad! Stammheim, den 15.10.1994 Kommando Roland Kaiser